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Sehenswürdigkeiten/Kirchen
Das Rathaus Thedinghausen
Nach Entstehung der Samtgemeinde
Thedinghausen im Jahre 1972 reichte
das bisherige Rathaus in der Poststraße
als Verwaltungssitz nicht mehr
aus. 1973 wurde die sog. „Poggenburg“
erworben und zum neuen Rathaus
umgebaut. Die Poggenburg (= Krötenburg)
ist nie eine Burg gewesen, sondern
war ursprünglich ein mit Wehranlagen
versehenes Hofgebäude. Wie
oft die Poggenburg verfallen war und
am gleichen Ort wiederaufgebaut
wurde, kann heute niemand sagen.
Der Bau der Burg Thedinghausen
wurde 1285 vom Erzbischof Gieselbert
von Bremen vollendet. In diesem
Zusammenhang wurde die Poggenburg
als eine der Burglehen gegründet.
Sie war im Besitz verschiedener
ritterlicher Geschlechter, bis sie
1580 von einem Amtmann erworben
wurde und schon damals lange Zeit als
Verwaltungssitz diente. Auf die Amtmänner
folgte ein Landwirt.
Als der Hof stark verschuldet war,
kaufte der vermögende Lunsener
Pastor Gudewill das Gut. Einer seiner
Söhne errichtete dort ein Handelshaus,
das viele Jahre eine beachtliche
Ausstrahlung besaß. Dieser Gudewill
war um 1800 der reichste Mann
von Thedinghausen. 1796 wurden das
Packhaus und die Scheune und 1811
das große Wohnhaus – das heutige
Rathaus – erbaut. Mit dem Tode des
Kaufmanns Gudewill war diese florierende
Zeit vorbei. 1843 wurde Dr.
Grimm, dessen Frau den Gudewillschen
Besitz geerbt hatte, Herr der
Poggenburg. Er starb 1880.
Fast 100 Jahre später verkaufte sein
Urenkel Hans-Hubertus Grimm die
Poggenburg an die Samtgemeinde.
Von Oktober 2016 bis Anfang 2022
wurde das Rathaus zu einem modernen
und barrierefreien Verwaltungsgebäude
umgebaut und energetisch
saniert.
Der türkische Halbmond auf
dem Packhaus
Ca. 1855 wurde auf das Packhaus ein
mit einer Uhr versehenes Glockentürmchen
aufgesetzt. An der Spitze
befand sich ein Halbmond. Der damalige
Eigentümer, Dr. med. Wilhelm
Grimm, hat ihn zu Ehren seiner Großmutter
väterlicherseits, einer Türkin,
anbringen lassen. Das Schicksal dieser
Frau war sehr ungewöhnlich. Sie
wurde vermutlich 1722 in der türkischen
Stadt Oszakow am Schwarzen
Meer geboren und wuchs dort reich
und wohlbehütet auf. Im russisch-türkischen
Krieg wurde die Stadt Oszakow
1738 völlig zerstört.
Der auf russischer Seite als Offizier
kämpfende braunschweigische Prinz
Anton Ulrich suchte sich aus den
Gefangenen u. a. das hübsche Mädchen
Abbas Cachiane Rhebisch als Kriegsbeute
und brachte sie nach Petersburg.
Man fand Gefallen an dem klugen und
schönen, jungen Mädchen, gab ihm
Unterricht in Sprachen, auch Deutsch,
und der christlichen Religion. Sie wurde
in Petersburg getauft und erhielt den
Namen Anna Charlotte Rhebisch.
Prinz Anton Ulrich nahm die Türkin
mit nach Blankenburg, um sie seiner
Großmutter, der Herzogin Christine
Louise, als Gesellschafterin zur Verfügung
zu stellen. Anna Charlotte entzückte
die Herzogin durch ihren Liebreiz
und ihre Schönheit und hatte bald
das Vertrauen der Herzogin gewonnen.
Um die Zukunft ihrer Schutzbefohlenen
sicherzustellen, begünstigte
die Herzogin deren Verbindung mit
dem Pastor Christian Moritz Grimm
und versprach großzügige Hilfe und
finanzielle Unterstützung.
Unglücklicherweise
starb die
Herzogin jedoch
wenige Tage vor
der Hochzeit.
Damit änderte
sich alles. Hofintrigen
verhinderten
die Auszahlung
der als
Aussteuer gedachten Schenkungen.
Dennoch wurde in aller Stille geheiratet.
Sehr arm folgte die junge Pastorenfrau
ihrem Mann in den Harz nach
Zorge, wo sie ein entbehrungsreiches
Leben führen musste.
Neun Kinder brachte Anna Charlotte
zur Welt. 1766 starb sie im Alter von
44 Jahren. Ihr Enkel ist der Arzt Dr. Th.
L.W. Grimm, der 1835 nach Thedinghausen
kam und mit dem türkischen
Halbmond auf dem Packhaus seiner
Großmutter, die er nie gesehen hatte,
nachträglich seine Zuneigung beweisen
wollte.
Anna
Charlotte
Rhebisch
Packhaus